Sonja - Sexueller Missbrauch 6. Sitzung: Innere Frau
Die Klientin bearbeitet das Thema Sexualität vor dem Hintergrund ihres langjährigen
sexuellen Missbrauchs. In dieser Sitzung werden bereits erste deutliche Veränderungen
dieser Thematik durch die voran gegangenen Sitzungen sichtbar. Nicht nur die innere
Frau zeigt sich schön und selbst bewusst, sondern auch verdrängte kindliche
Anteile drängen immer mehr ins Bewusstsein - und mit ihnen Freude, Verspieltheit
und neue Lebendigkeit.
Sonja befindet sich in einem relativ hellen Felsenkeller mit mehreren Türen.
Sie ist neugierig und wählt eine Holztüre.
Sonja kommt in ein Schwimmbad, dort ist es dunkel. Sie geht um das Becken herum
und fühlt den Wunsch in das Becken zu springen. „Ich liebe es total
unter Wasser zu tauchen. Da ist es immer so ruhig und friedlich. Ich würde
am liebsten gar nicht mehr auftauchen.“
Folgende Erinnerungen kommen Sonja, wo sie die Atmosphäre dieses Friedens
gespürt hat: als Kind im Schwimmbad; in der Natur; im Urlaub in Thailand,
wenn sie Sonnenuntergänge am Meer beobachtet hat. „Da hab ich immer
so einen Frieden im Herzen gehabt.“
Auch das Gegenteil kann Sonja fühlen, wenn es ihr nicht gut geht, dass sie
sich nicht mehr bewegen möchte und nichts mehr vom Leben wissen will.
Das Schwimmbad gibt zu verstehen, dass Sonja ihren Frieden finden soll.
Sonja fragt direkt nach, was sie noch bearbeiten und verändern muss, um diesen
Zustand genießen zu können.
Stefan, ihr Freund, taucht auf und sagt, dass er sich wünscht, dass es Sonja
gut geht und dass sie mit ihrer Sexualität zurecht kommt.
Der Therapeut rät Sonja, ihre Sexualität in ein Symbolbild oder Gestalt
umzusetzen.
Eine verdorrte Pflaume, aus der jeder Saft gewichen ist, taucht auf. „Die
schleppt sich ganz mühevoll daher.“ Sonja geht direkt in Kontakt: „Du
siehst ja mitleiderregend aus. Mit dir ist ja gar nichts los.“ Die Pflaume
reagiert niedergeschlagen.
Sonja lässt sich von der Pflaume zeigen, was dazu geführt hat, dass
sie so ausgedörrt ist.
Sie ist daraufhin wieder in ihrem Kinderzimmer, wo eine völlige Erstarrung
ihrer selbst stattfindet.
Sonja erklärt der Pflaume, dass sie den Missbrauch durch ihren Cousin Michael
bearbeitet hat und dass er nicht mehr in ihr Bett kommt. Außerdem helfen
ihr nun auch ihre Eltern. Sonja ruft Michael dazu und er bestätigt der Pflaume
noch mal, dass er nicht mehr in das Bett der Kleinen kommt. Die Pflaume entfaltet
sich ein bisschen und wird voller.
Sonja bleibt weiter in Verbindung mit ihrer Sexualität: „Ich lade dich
ein in mein Leben, dass ich dich lustvoll spüren kann. Und dass du mir wieder
Spass machst und mich nicht langweilst.“ Sonja hat ihre Sexualität
aber auch schon sehr positiv erlebt und möchte diese Erfahrung ebenso mit
ihrem Freund Stefan machen.
Sie lässt die Sexualität, die sie als positiv und schön empfunden
hat, auftauchen, um sie mit der verdorrten Pflaume zusammenzubringen. „Das
fühlt sich ganz kraftvoll an.“ Eine vollbusige und kraftvolle Frau
taucht auf und Sonja bringt sie mit der Pflaume zusammen. Diese entfaltet sich
und wird größer, bis sie prall gefüllt ist. Sonja: „Das
finde ich lustig, wie du aussiehst – eine riesige, menschen- grosse Dattel.“
Sonja zeigt die Dattel Stefan, der über die Größe erschrocken
ist.
Sonja spürt mit ihrer neu gewonnenen energetischen Haltung allerdings noch
keine Veränderung in ihrer Begegnung mit Stefan.
Der Therapeut macht an dieser Stelle den Vorschlag mit der inneren Frau zu arbeiten.
Sonja geht an einen Strand und lässt dort von rechts (sie ist Linkshänderin)
ihre innere Frau auftauchen. Diese hat lange dunkle Haare und dunkle Haut und
geht sehr selbstbewusst am Strand entlang. „Das wundert mich. Ich bin nie
so selbstbewusst, wenn ich am Strand entlanggehe.“ Die inner Frau gibt Sonja
zu verstehen, dass sie sich nicht zu verstecken braucht.
Sonja lässt sich von ihrer inneren Frau mit in deren Welt nehmen. Sonja ist
fasziniert davon wie diese ganz selbstverständlich ihre Weiblichkeit zum
Ausdruck bringt und ganz selbstverständlich in ihrem Körper ist. Es
sind jetzt ganz viele Menschen am Strand, und die innere Frau bedeutet Sonja,
dass sie hier ganz natürlich herumlaufen und sich ihrer selbst sicher sein
kann. „Ich soll mich an meiner Weiblichkeit erfreuen.“
Sonja möchte sich eigentlich lieber verstecken. Die innere Frau rät
ihr, dass es egal ist was andere denken und dass sie sich ruhig zeigen kann.
Die innere Frau geht mit Sonja daraufhin durch belebte Strassen und sagt ihr wieder,
dass sie sich nicht zu verstecken braucht. „Ich merke aber, wie ich unsicher
werde, wenn mich andere anschauen. Ich würde mich immer gerne hinter dir
verstecken. Ich finde es schön, wie du so selbstbewusst herumläufst.“
Sonja wird immer kleiner an ihrer Hand und empfindet nun viel Scham über
ihr Sein.
Der Therapeut rät Sonja in die inner Frau hinein zu gehen und sich zu erlauben
sie ganz zu spüren. Um dieses Gefühl so intensiv wie möglich zu
erfahren wird lange Musik eingespielt.
Sonja steht als innere Frau auf einem kleinen Berg, um sie herum sind sehr viele
Leute. Sie fühlt sich dabei ganz natürlich.
Mit dieser Erfahrung geht Sonja nun zu Stefan. „Das ist schön. Er nimmt
mich in den Arm.“ Sie legen die Pflaume gemeinsam auf ein Tablett und kümmern
sich um sie.
Sonja stellt es sich schwierig vor, die Initiative zu ergreifen. Sie versucht
es zusammen mit ihrer inneren Frau. „Die hat keine Schwierigkeiten, die
Initiative zu ergreifen. Die ist viel lustvoller als ich.“ Sonja ist zusammen
mit Stefan in einem großen, weißen Raum und sie genießen dieses
Gefühl.
Der Raum vermittelt die Botschaft, dass Sonja ihn noch schöner einrichten
soll. Sie stellt ein Bett in den Raum und Stefan liegt darauf. Sie ist eine Priesterin,
die eine Zeremonie vorbereitet. „Ich habe immer das Gefühl, dass ich
falle.“
Sonja bekommt das Bild, dass sie unten in einem Brunnen steht, von oben scheint
Licht herein. In dem Brunnen unten sind kleine vergitterte Gefängnisse mit
vielen schwarzen Gestalten darin. Sonja geht in Kontakt mit diesen Schattenanteilen
und lässt sich von denen, die am längsten da sind und sogar noch vor
dem Missbrauch durch Michael entstanden sind, zeigen, warum sie sie dort eingesperrt
hat.
Ein Schatten tritt hervor; er steht für das Lachen und die Unbeschwertheit.
„Ich weiß gar nicht was ich mit euch machen soll; das ist mir jetzt
zuviel. Am liebsten würde ich euch wieder einsperren.“
Sonja hat nun einen Zugang zu ihren verdrängten Schattenanteilen; sie kann
selbst entscheiden, wie viel sie herauslassen möchte. Sie hat es in der Hand
und kann die Aspekte nach und nach bearbeiten.
Der Therapeut schlägt vor zu überprüfen, was O.K. wäre jetzt
herauszulassen und wieder an ihrer Welt teilnehmen zu lassen. „Ich fühle
mich überfordert von euch.“ Sonja nimmt sich einen schwarzen Anteil
vor: „Wer bist du?“ Es ist die Freude, sie ist schwarz. „Ich
weiß gar nicht wie ich dich da hochbekommen soll.“
Sonja hat jetzt den Wunsch das zu schaffen. „Alle stehen dicht gedrängt
um mich herum. Und wollen da hoch.“ Sonja schlägt vor, einen Tunnel
nach oben zu graben und gibt allen Schaufeln. Sie kommen alle auf eine Wiese.
„Ich weiß aber nicht, was ich mit euch anfangen soll. Warum wollt
ihr hinter mir herrennen?“
Sonja geht mit ihnen zum See um sie zu baden und sauber zu machen. „Jetzt
kommen sie als Kinder wieder raus. Ich kann Kinder nicht leiden.“ Die Kinder
kommen alle zu Sonja.
Das kennt Sonja aus ihrem Leben, dass es ihr zu viel ist, wenn jemand etwas von
ihr will. „Also, was wollt ihr denn von mir. Ich habe mein Leben nicht mit
soviel Kindern eingerichtet.“ Die Kinder wollen spielen. „Ich spiele
aber nicht gerne.“
Die Kinder stehen für verdrängte Qualitäten und Lebendigkeit, die
Sonjas Leben eigentlich bereichern können, in dem Moment für sie allerdings
sehr ungewohnt sind. Daher reagiert sie erst mal eher abweisend. Sie muss lernen
mit ihnen umzugehen.
„Ihr seid ganz schön viel auf einmal. Gebt mir ein bisschen Zeit, damit
ich mich an euch gewöhnen kann.“
Sonja sitzt daraufhin in der Mitte eines Spielplatzes und die Kinder spielen um
sie herum. „So geht es eigentlich. Ab und zu kommt eines vorbei und ich
gebe ihm zu essen und zu trinken.“
Das Leben wird dadurch natürlich spontaner, chaotischer, unkontrollierbarer,
aber diese Qualitäten gehören eben auch zum Lebendig-Sein.
Sonja zeigt ihrem Papa, ihrer Mama, dem Michael, dem Stefan, dem Opa, der Oma,
der Tante diesen Spielplatz mit den Kindern. „Die freuen sich.“
Sie holt noch das 6/7-jährige Mädchen dazu. „Die rennt mit den
anderen Kindern rum. Sie ist jetzt nicht mehr alleine und kann spielen und toben.“
Sonja ist ein wenig misstrauisch, freut sich aber, dass es der Kleinen gefällt.
Sonja fragt alle, ob das für diese Sitzung so stehen bleiben kann: „Ja.
Alle sind einverstanden. Da ist ja ganz schön was los. (lacht)“