Sonja - Sexueller Missbrauch 2. Sitzung von 31: Der Wolf

Die Klientin ist seit dem sexuellen Missbrauch in ihrer Kindheit ständig in einer inneren „Hab-Acht-Stellung“. Sie kämpft, grenzt sich ab, versucht, niemanden mehr an sich heran zu lassen. Diese innere Thematik zeigt sich auf der äußeren Körperebene in Form von Allergien und Heuschnupfen.
Sonja kommt über eine Holzleiter in ein Burgverlies. Sie geht durch eine Rundbogentür mit der Aufschrift: „Heuschnupfen“ und landet in einer großen, dunklen, feuchten, kalten Höhle. Sonja fühlt sich verloren und hat Angst vor dem Grossen und Dunklen.
Das erinnert Sonja an die Atmospähre in ihrem Kinderzimmer, sie ist ca. 6 Jahre alt. „Ich habe das Gefühl, dass ich gegen das Dunkle, Feuchte, Glitschige kämpfen muss.“ Ihr Lebensgefühl ist Gefahr: „Ich muss ganz arg aufpassen.“ Sonja nimmt wahr, dass sie unter Stress steht und nicht in Ruhe in ihrem Zimmer sein kann.
Der Therapeut rät, als große Sonja in das Kinderzimmer zu gehen und Kontakt zur Kleinen aufzunehmen. Diese lässt sie nicht an sich heran. „Die ist kampfbereit.“ Die Kleine kämpft um ihr Leben, dass niemand mehr in das Zimmer hereinkommt. Es ist der Wolf, den sie bekämpfen muss.
Sonja bietet der Kleinen ihre Hilfe an. Sie ist allerdings so in Kampfhaltung, dass sie nicht richtig erreichbar ist. „Die lässt niemanden an sich ran.“
Sonja zieht Parallelen in ihr heutiges Leben und stellt fest, dass sie auch heute noch ganz genau überlegt, wen sie an sich heranlässt. „Ich bin immer auf der Hut und in Hab-Acht-Stellung.“ Sonja zeigt das der Kleinen und dass ihre Allergie, ihr Heuschnupfen, damit zusammenhängt.
Der Therapeut schlägt an dieser Stelle vor, sofort in die Veränderungsarbeit zu gehen und den Wolf zu rufen, so dass Sonja sich mit ihm auseinandersetzen kann.
Sie bekommt Angst und holt ihren Freund Stefan in ihre Innenwelt zur Hilfe, damit er hinter ihr stehen kann und eingreifen kann, wenn es ihr zu viel wird.
„Ich hab Angst, das ist so ein Ungeheuer.“
Sonja lässt ihre Angst als Gestalt auftauchen. Sie ist sehr groß und braun und runzelig, sie ist nicht so greifbar. Sonja geht direkt in Kontakt mit ihrer Angst.
Sonja fragt die Angst, ob sie nur zum Wolf gehört oder ob es noch andere Situationen gibt, wo sie entstanden ist.
Die Angst antwortet: „Du musst noch viel tiefer gehen.“ Da es jetzt aber im ersten Schritt um diesen Wolf geht, bittet Sonja die Angst-Gestalt zur Seite zu treten, um dem kleinen Mädchen zu helfen.
Daraufhin tritt die Angst zur Seite und Sonja ist nun bereit, den Wolf zu rufen.
Sonja öffnet die Kinderzimmertür und der Wolf steht davor. Die Kleine tobt. Sonja geht in Gespräch mit dem Wolf: „Was willst du hier, warum kommst du zu mir?“ Der Wolf antwortet, er kommt zu ihr, weil er sie so leicht haben kann, sie ungeschützt ist. Der Wolf hat keine Angst vor Sonjas Eltern. „Die stecken den ja bei mir ins Bett. Aber sie wissen nicht, dass das ein Wolf ist.“ Der Wolf tarnt sich. Sonja fragt ihn wer er ist: „Es ist der Michael, mein Cousin; er soll immer auf mich aufpassen.“
Der Therapeut hakt nach, warum Sonja es ihren Eltern nicht sagt, dass Michael zum Wolf wird.
Sonja lässt sich von der Kleinen zeigen, wie so ein Abend abläuft, wenn Michael zum Wolf wird.
Sonjas Eltern gehen weg und sie muss ins Bett. Michael kommt in ihr Bett und liest ihr eine Geschichte vor. Die Kleine hat jetzt schon Angst: “Ich weiß genau was du willst.“
Sonja soll sich ausziehen. Sie sagt ihm, dass es ihr keinen Spaß macht. Michael grinst und sagt: nur ein bisschen...“Ich kämpfe innerlich ganz arg...so eine Zerstörungswut und Überlebenskampf.“
Sonja spürt dann eine Unbeweglichkeit. „Ich kann mich nicht mehr bewegen. So als ob alle Kraft aus mir weicht. Ich werde ganz schlapp und leblos.“ Sonja geht aus ihrem Körper heraus, weil sie nichts mehr fühlen will. Sie kennt das aus ihrem Leben häufiger.
Situationen, die sie sehr stressen und wo ihr alles zuviel wird. „Da steh ich wie so neben mir.“ Sonja kommen da auch Selbstmordgedanken. „Da weicht alles aus mir; da möchte ich gar nicht mehr.“ Sonja fühlt eine Trostlosigkeit in sich, ihr fehlt die Freude am Sein.
Dieser Zustand dominierte ihr Leben. „Früher war dieses Gefühl permanent.“; Die Beziehung zu ihrem jetzigen Freund hat in dieser Hinsicht eine fundamentale Veränderung bewirkt. „Da habe ich die Erfahrung gemacht wie es ist, wenn mich jemand so liebt wie ich bin. Das kannte ich vorher nicht.“ Sonja überkommt aber immer wieder diese Leblosigkeit und Freudlosigkeit. „Mein Freund Stefan steht hinter mir, er hat mich hergeschickt.“
Der Wolf hat offensichtlich noch eine große Auswirkung in Sonja’s heutigem Leben. Sie erinnert sich, dass ihr Cousin oft im Haus war. Sie hat ihren Eltern nie etwas gesagt. Sonja hat angefangen ins Bett zu nässen und musste in diesem Zusammenhang viele Untersuchungen von Urologen und Ärzten über sich ergehen lassen.
Es geht darum mit dem Wolf zu arbeiten. Sie schlägt ihn mit dem Schlagstock aus dem Bett raus. Die Kleine muss sehen, dass Sonja zu ihr hält. „Ich helfe dir jetzt.“ Der Wolf ist überrascht.
Sonja ruft ihre Eltern dazu und sagt ihnen was ihr passiert ist. „Das hat soviel Schaden angerichtet und ihr habt das nicht gesehen. Ich war immer nur die Problemtante. Ihr habt gar nichts verstanden.“ Die Eltern wollen das nicht hören und sehen. „Das finde ich zum Kotzen.“ Sonja konfrontiert ihre Eltern weiterhin. „Hättet ihr besser auf mich aufgepasst, wäre das nicht passiert.“ Die Eltern reagieren unbeteiligt.
Sonja fragt ihren Vater, ob er ihr hilft. Er reagiert verhalten.
Was hat dazu beigetragen, dass er sich so von Sonja distanziert hat? „Die Religion. Die hat unsere Familie kaputt gemacht.“ Sonja hat sich nicht auf die Religion, den Glauben ihrer Eltern eingelassen. Sie hat durch ihre Erziehung die Erfahrung gemacht, dass sie schlecht und fehlerhaft ist. Das hat zur Distanzierung beigetragen.
„Papa, wir haben früher eine gute Beziehung gehabt, so mit 4/5 Jahren, und durch die Religion ist alles kaputt gegangen. Ich hätte dich so gebraucht als Vater, dass du zu mir sagst, dass ich so O.K. bin wie ich bin.“
Sonja’s Vater ist sehr krank geworden und ihre Eltern sind daraufhin erst zur Religion gekommen. Die Religion hat ihrem Vater Halt gegeben und das war wichtiger als die Beziehung zu seiner Tochter. Es tut ihrem Vater nicht Leid, seine Tochter verloren zu haben. Der Vater ist total abgeschnitten. Daher empfindet Sonja von dieser Seite auch keinerlei Hilfe dem Wolf gegenüber.
Der Therapeut rät den Pfarrer hinzuzuholen und zu fragen, ob der Missbrauch in Ordnung ist. Ihr Cousin hat sich später auch zu dieser Religion bekannt. Sonja empfindet es so, dass Eltern und Cousin unter einer Decke stecken... unter dem Deckmantel der Religion.
Sonja: „Pfarrer, das ist mir total zuwider dich herzuholen. Du bist so ein blödes Arschloch. So ein Diener Gottes.“ Sonja wendet sich direkt an Gott. „Dich kann ich auch nicht leiden. Der ganze Mist ist mir total zuwider. So ein Mist von Moral und Lebenshaltung. Und meine Eltern haben nicht zu mir gehalten.“ Der liebe Gott wirkt wie ein alter Patriarch. „Ist es für dich in Ordnung, was da passiert ist?“ Gott nimmt alle, die ganze Gemeinde, in Schutz, weil sie zu seiner Religion gehören.
Der Therapeut schlägt Sonja vor, auf so eine Gemeindeversammlung zu gehen und öffentlich zu machen, was ihr passiert ist. „Meine Eltern haben mir eingeredet, dass mit mir was falsch ist und sie halten nicht zu mir. Ich kann euch nicht ausstehen. Mit Sexuellem könnt ihr gar nicht und verschweigt alles. Billigt ihr, dass dieses Mädchen nachts missbraucht wird?“ Die Gemeinde reagiert bockig.
Sonja hat die Erfahrung gemacht, dass sie total missachtet wird. Sie kämpft allein um ihr Überleben. Es geht darum die Gemeinde, die Eltern betroffen zu machen, ihren Vater zu erreichen, dass er ihr hilft, dass der Wolf nachts nicht mehr kommt. So dass die Kleine entspannt schlafen kann.
Sonja muss neutrale Menschen finden, die ihr helfen. Sie braucht Unterstützung dort in der Gemeinde, indem sie die Mitglieder ehrlich berührt und so die allgemein ablehnende Haltung aufbricht.
„Ihr seid mir echt zuwider, schon wie ihr euch anzieht.“ Sie zeigt der Gemeinde das kleine Mädchen und kann vereinzelt jemanden wahrnehmen, die reagieren und helfen wollen.
Sonja würde den Wolf am liebsten in einen Kerker sperren. Die Kleine findet das gut. Sie kann zuschauen und erleben, dass sie nicht alleine ist. Zugleich erfährt sie, dass es nicht ihr Problem und sie unschuldig ist.
Wolfsgeheul wird eingespielt und Sonja bekommt Angst. Ihr Freund Stefan und eine Frau aus der Gemeinde helfen mit und sie sperren den Wolf ein.
„Das tut der Kleinen gut.“ Sonja zeigt das auch der restlichen Gemeinde und ihren Eltern. „Ihr hättet auch helfen können.“ Der Gemeinde und dem lieben Gott ist das peinlich. Sonja konfrontiert die Gemeinde mit diesem Gott, der nicht hilft und alle zu Sklaven macht. „Ihr seid feige und blöde Arschlöcher.“
Sonja sagt der Frau aus der Gemeinde, dass sie sie mag, weil sie liberalere Ansichten hat.
Sonja geht in die Höhle im Eingangsbild. „Es ist nicht mehr ganz so kalt dort und ich habe nicht mehr soviel Angst da zu sein.“ Die Höhle ist immer noch groß, wirkt aber nicht mehr so bedrohlich.
Sonja nimmt die Kleine mit in die Höhle und zeigt ihr die Veränderungen. Sie ist jetzt entspannter und nicht mehr in Kampfposition.
„Höhle, für heute lassen wir es so stehen und morgen arbeiten wir weiter.“