Sonja - Sexueller Missbrauch 16. Sitzung: Abspaltung
Die Klientin nimmt in dieser Sitzung ein für sie sehr beschämendes inneres
Bild wahr. Sie sieht, wie ihr Cousin sie als kleines Mädchen im Keller auf
sehr erniedrigende Weise sexuell missbraucht. Der Körper der Klientin reagiert
sehr heftig, aber alle dazugehörigen Gefühle sind abgespalten. Sie korrespondieren
mit ihren immer wieder kehrenden Selbstmordgedanken. Es ist ihre Sehnsucht nach
diesem abgespaltenen inneren Anteil, ihre Sehnsucht nach Ruhe und Frieden, nach
endlich wieder „ganz sein“.
Sonja hatte eine Woche zuvor eine Sitzung mit dem Thema „Innere Frau“
und der Missbrauchssituation mit dem Cousin. Beide waren nackt und Sonja hat alles
intensiv gefühlt, vor allem das Nacktsein. Diese Bilder arbeiten noch in
ihr.
Sonja nimmt alles verschwommen wahr und ihr ist schlecht. Sie lässt sich
tiefer in dieses Gefühl hineinfallen und spürt einen großen Widerstand,
die Treppe weiter hinunter zu gehen. „Es drückt mich regelrecht nach
oben.“ Sonja fühlt sich schwebend. Der Therapeut empfiehlt auszuprobieren
ob sie entscheiden kann wohin sie schwebt. Immer wenn sie herunterkommen möchte,
ist da der Widerstand, der sie wieder hochdrückt. Sonja versucht herunter
zu schauen, was sie dort erlebt hat. „Ich fühle mich abgeschnitten.“
Sonja ist anscheinend während der letzten Sitzung mit etwas in Kontakt gekommen,
was sie so erschrocken hat, dass sie sich abgeschnitten hat.
„Aus der Ferne betrachtet kommt mir alles nicht so schlimm vor.“ Der
Therapeut rät, so nahe heranzugehen wie eben möglich, um zu sehen was
da los ist.
Sie hat keine Bilder; sie hat das Gefühl sich übergeben zu müssen,
möchte das aber nicht, aus Angst vor dem, was da hochkommt. Ihr ist so schlecht,
dass sie zur Sicherheit den Eimer verlangt.
Sie kennt diesen Zustand auch aus ihrem Leben, total zurückgezogen und unerreichbar.
Die Frage ist, wie kommt sie sonst aus diesem Zustand heraus oder wer kann sie
erreichen. Wer kann ihr helfen und sie herausholen? Sonja gibt sich selber die
Anweisung: „Sonja, jetzt komm heraus.“
Der Therapeut stellt fest, dass sie große rote Flecken am Hals hat, als
ob ihr jemand an die Gurgel gegangen wäre und den Hals zugedrückt hat.
„Ich kann nichts sehen.“
Sonja kann auf den Hinweis des Therapeuten an die entscheidende Situation der
letzte Sitzung anzuknüpfen: Sie ist im Keller und sieht dort Regale mit Ordnern.
Sie liegt nackt in einem dieser Regale und Michael steht auch nackt da. Sonja
hat jetzt kein Gefühl dazu. Sie ist 5 Jahre alt. Der Therapeut schlägt
vor die Geräusche zu der Situation einzuschalten und zu hören, was passiert.
„Ich kann nicht reingehen; ich merke nur, dass mein Körper sich komisch
verändert. Alle zieht sich zusammen. Die Beine, der Bauch.“
Sonja ist in dem Zustand zwar funktionsfähig, sie kommt aber nicht in ihr
Energiesystem hinein.
Der Therapeut macht den Vorschlag einfach nur zu beschreiben, was ist. Sonja bleibt
so in den Bildern und sie tut dabei etwas. Es geht darum in den Bildern zu reagieren.
Sonja bekommt ein Bild und schämt sich es zu beschreiben.
Sie hat sich auch in der letzten Sitzung so sehr geschämt, weil sie so einen
Ausbruch hatte, dass sie aus der Situation ausgestiegen ist. Sonja hat große
Schwierigkeiten das Bild zu beschreiben....„Der Michael bohrt mit seinem
Finger in mir herum.“ Sie konfrontiert ihn, dass sie das nicht will. „Ich
fühle mich so abgeschnitten. Ich will nicht, dass du das machst.“
Der Therapeut macht den Vorschlag ihren Freund Stefan, der bisher immer ihr Helfer
war, herzuholen. Der reagiert prompt und schleudert den Cousin gegen die Wand.
Die heutige Sonja kommt auch mit in die Situation; sie geht mit der Kleinen in
Kontakt. „Du liegst ganz leblos da. Du bist tot. Gar nicht da. Tot sein
ist gut, da spürt man nichts mehr.“ Sonja zeigt das ihrem Cousin. Sie
hat allerdings gar keinen Impuls mit dem Schlagstock zu arbeiten und sich aktiv
zu konfrontieren.
Die Frage ist, was ist zu tun, um aus dem Zustand herauszukommen?
In der letzten Sitzung hat Sonja so sehr geschrieen, woraufhin sie sich dann sehr
schämte. Das ist an der Stelle die Selbstähnlichkeit: die alte Scham
von früher kommt hoch und die neu erlebte Scham, so zu schreien, kommt dazu.
Daher ist die Abspaltung so heftig.
Es gibt keine Alternative: Sonja muss in die Situation hinein, schreien, sich
schämen und dann ausdrücken, nur dann kann sie sich befreien.
Sonja schreit heftig und schlägt mit dem Schlagstock auf das Bild von Michael.
Sie hilft dem Mädchen, das geschrieen hat. „So eine Schweinerei. Das
darf man nicht.“ Sonja verlangt von Michael, die Kleine wieder anzuziehen.
Sie hat daraufhin eine Windel an die im Genitalbereich gepolstert ist. Die Kleine
geht nach oben aus dem Keller hinaus.
Sonja fällt daraufhin zur Seite um: es ist das Gefühl, dass er sie immer
weiter benutzen kann. Sonja bekommt den Impuls ihrem Cousin den Penis und die
Hände abzuhacken. Sie schlägt mit dem Schlagstock. „Ich spüre
gar nichts mehr! Du hast mich tot gemacht.“ Stefan kommt dazu und hilft.
Die Kleine Sonja ist jetzt ganz wach und neugierig.
Sonja bemerkt an der Stelle den eklatanten Unterschied in ihren Gefühlen
zur letzten Sitzung. „Da hätte ich die Wände hochgehen können.
Und jetzt ist da überhaupt nichts.“
Das Schamgefühl war zu heftig und hat sie festgehalten.
Michael steht immer noch im Keller. Um ihm dieses Schamgefühl zu zeigen,
soll er seine Hosen runterziehen und Sonja’s Eltern zeigen, was er gemacht
hat.
Sonja hat aber das Bedürfnis in den Arm genommen zu werden und gewiegt zu
werden. Sie holt ihre Eltern dazu. Sonjas Papa bringt sie ins Bett und liest ihr
eine Gute-Nacht-Geschichte vor.
Sonja fühlt sich immer noch nicht richtig da. „Papa, ich bin gar nicht
da, ich kann gar nichts fühlen.“ Er nimmt sie in den Arm und Sonja
lässt sich ganz fallen. Sie fühlt nichts: „Ich bin tot.“
Es kann für Sonja’s Heilung wichtig sein, diesen toten Teil genau so
intensiv zu spüren.
„Michael, du hast mich umgebracht.“ Sonja soll das ihrem Vater erzählen.
Sie tut sich sehr schwer damit. „Das ist alles so unaussprechlich.“
Genau deswegen ist alles so tot. Durch das Aussprechen wird dieser Teil lebendiger.
„Papa, ich fühle mich beschmutzt! Du hast nicht aufgepasst! Mich mit
dem in ein Bett gesteckt.“ Der Papa hat die Veränderung in Sonja’s
Verhalten gar nicht bemerkt. Er ist betroffen und versichert, dass er sie sehr
lieb hat. „Ich weiß nicht, dass kann ich nicht verstehen.“
Sonja erinnert sich, dass sie wegen ihres komischen Verhaltens zu Ärzten
und Untersuchungen geschleppt wurde. Sie holt ihre Mutter und konfrontiert sie
ebenso. Die Kleine Sonja hat ihrer Mutter nichts erzählt, weil sie sie immer
alleine gelassen hat und kein Vertrauen in sie hatte.
Sonja hat an der Stelle das Gefühl, dass sich alles wie Kaugummi zieht. Die
Mutter erwidert, dass Sonja sich alles selber eingebrockt hat. Sie sei selber
Schuld. „Du hättest dich viel mehr um mich kümmern müssen.“
Sonja nimmt die Mutter mit in den Keller und schockt sie mit der Situation dort.
Die Mutter reagiert nicht und Sonja befindet sich in einem tiefen Zustand von
„Alles scheissegal.“
Sie kennt diese Momente aus ihrem Leben: sie befindet sich in diesem schwebenden
Zustand, in dem sie auch Selbstmordgedanken hat und sich vorstellt vom Hochhaus
zu springen, damit endlich alles vorbei ist. Eine der Ursachen dafür ist
die Situation im Keller, wo die Kleine tot da liegt. „Kleine Sonja, ich
habe Sehnsucht nach dir.“ Deswegen auch die Selbstmordgedanken, um wieder
mit dem Teil, der aus dem Körper ist zusammen zu kommen. „Ich sehne
mich nach Frieden und Ruhe.“
Der Therapeut macht den Vorschlag, herauszufinden, warum sich Sonja solche Eltern
ausgewählt hat. Was war ihre Absicht. Wer zieht sie an?
Sonja fühlt nur einen großen Wiederwillen, wenn sie runterschaut. Sie
will überhaupt nicht zu diesen Eltern. Sie fragt ihre Seele, warum sie überhaupt
dort hinunter geht. Es kommt keine Antwort. „Ich bin so was von motivationslos.
Ich habe keine Ahnung.“ Sonja möchte am liebsten aufhören. Sie
fragt ihren Freund Stefan, ob sie aufhören soll. Er bestätigt dass sie
jetzt aufhören kann.
Sonja schaut noch mal auf die Treppe vom Anfang. Sie spürt den Wiederstand
immer noch. Das Mädchen liegt noch im Regal. Sonja holt es heraus und nimmt
es in die Arme.Sonja hat in dieser Sitzung zum ersten mal in Bildern gesehen,
was ihr Cousin mit ihr gemacht hat. Es war zwar alles ohne Gefühl, sie ist
aber am tiefsten Punkt und kann jetzt nur über Rückkopplung aus diesem
Zustand herauskommen.
In der vorherigen Sitzung ist Sonja so heftig ausgerastet, sie hätte sich
mit ihrem ganzen Körper gegen alles schmeißen können, wie sie
sagt. Sie wollte allerdings keine Randale im Zimmer machen und hat sich geschämt.
In ihrem Leben ist sie nie ausgeflippt, sie hat zwar oft das Gefühl zu explodieren,
tut es aber nie.